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Rudi soll leben!

rudolf
Rentier zum Festmenü?
Rentier zum Festmenü?

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AutoreninfoSylvia Koppermann
aktualisiert: 11.03.2020Mehrfache Mutter u. Autorin
Medizin, Gesundheit und Erziehung
Wie jedes Jahr kreisten meine Gedanken um das Weihnachtsessen. Einmal im Jahr sollte es etwas ganz Besonderes sein und eine Festlichkeit ausstrahlen, von der man noch das ganze Jahr sprach.

Nein, keine profanen Sonntagsmenüs, die man sich sonst auch nicht gönnt! Das Weihnachtsessen muss eben alles toppen. Nur einfach, wäre da zu einfach und so gibt es bei der Wahl der perfekten Zusammenstellung ein paar Kriterien, die es zeitgleich zu erfüllen gilt.

Einerseits ist mein Mann kein Fan von Geflügel. Bestenfalls hin und wieder ein Hähnchen-Cordonbleu, manchmal sogar Putenwurst, wenn wir ihm verheimlichen, von welchem Tierchen der Bratenaufschnitt stammt. Also scheiden schon einmal Gans, Ente oder Puter aus. Die größte Hürde liegt allerdings bei den guten alten Talern, denn auch das ausgefallene Essen muss bezahlbar sein. Letztes Jahr durften wir gnädigerweise Entenbraten machen, da hatte Joe Erbarmen und auch wenn er vorgab, es habe ihm sogar geschmeckt, zog sich meine Augenbraue doch schon nachdenklich hoch, als er sagte: „Geflügel ist aber dieses Jahr nicht dran.“

Also wieder grübeln.

Lammhaxen hatten wir im Jahr vor der Ente, ... Wild!

Ja, Wild hatten wir schon lange nicht mehr. Ein leckerer Hirschbraten, wohl möglich mit einer speziellen Füllung aus Preiselbeeren und Pfifferlingen, in einer Art Rollbraten zubereitet?

Um mir einen Überblick zu verschaffen, stöberte ich im Internet und verglich Preise. Mein Mann fand mich röchelnd vor dem Monitor, mühsam nach Luft ringend. Irgendwie hatte sich ein Atem lähmender Schockzustand über mich gelegt, als ich die durchschnittlichen Kilopreise mit der Fleischmenge multiplizierte, die wir für zwei Tage Festessen für alle Personen benötigten. Hätten wir derzeit ein Auto, wir könnten es zum Pfandleiher bringen, um dann Weihnachten hemmungslos zu schlemmen. Vorausgesetzt, der Wagen ist nicht älter als der Hirsch. Man gibt ja nun auch nicht schnell auf und überlegt Alternativen.

Was gibt es noch so in Richtung Wild?

  • Reh?
  • Zu teuer!
  • Wildschwein?
  • Och nö!
  • Kaninchen?
Das ist dann mal etwas, was ich nicht so gerne esse.
  • Elch?
Im Affekt lachte ich über mich selbst und stellte mir vor, eine gewaltige Elchkeule auf einem Scheiterhaufen großen Lagerfeuer tagelang am Spieß zu drehen, während um mich herum die Welt zu schneit.

Joes Streitaxt würde endlich zum Einsatz kommen und den Braten in Portionen teilen, die wir unseren Kindern, die geduldig in einer Reihe stehen, auf ihre Holztellerchen legen. Das hat doch mal was wirklich Mittelalterliches! Und mit Schalk im Auge suchte ich Preise für Elch. Es stellte sich dann bald heraus, dass wir doch keinen Elch mögen.

Oder besser, unser Essensbudget rümpfte die Nase, denn Elch schlägt preislich Reh um Längen.
Während ich nun schimpfend vor dem Rechner saß und meinem Mann erklärte, dass die Preise schon unverschämt seien und ein Elch, der wüsste, was sein Fleisch an Marktwert hat, sich garantiert selbst an den Metzger verkaufen würde, schaute er mir über die Schulter. Er bekam plötzlich leuchtende Augen und juchzte unerwartet: „Maus, guck doch mal! Da gibt es Rentierfleisch. Das soll sehr lecker sein. Schau mal was das kostet.“ Eine Starre breitete sich in meinem Gesicht aus und verhinderte das ordnungsgemäße wieder Einrasten meines Unterkiefers. „Hast Du einen Knall? Wir können doch Weihnachten kein Rentier auf den Tisch bringen!“ Manchmal fehlt meinem Mann das Feingefühl, das gebe ich zu, auch wenn ich ihn liebe, denn er verstand nicht, was denn nun an Rentier zu Weihnachten verwerflich sei. „Na höre mal,“ kopfschüttelnd sah ich ihn an, „möchtest Du mit herzhaftem Appetit essen, während die Kinder mit Tränen in den Augen, die Gabel gegen das Fleisch drücken und schluchzen: 'Rudi, sag doch was!'? Und im nächsten Schritt erzählen wir dann, der Weihnachtsmann steigt jetzt um auf öffentliche Verkehrsmittel, damit wir sein Schlittengespann nach und nach vertilgen können?“

Nein, da gab es nun keine Diskussion mehr für mich. Das war mir zu viel Sarkasmus. So unartig waren die Kinder nun auch im vergangenen Jahr nicht, dass wir ihnen suggerieren, Rudi zu essen.

Eigentlich dachte ich, das Thema sei durch und schweren Herzens entschieden wir uns für den sparsameren Schmorbraten, der sich auch füllen lassen würde, als mein Mann das Thema Rentier wieder aufgriff.
„Du beschwerst Dich immer, dass ich nicht weihnachtlich genug bin und in Deinen Augen ruhig etwas mehr dekorative Stimmung verbreiten könnte. Und da ist mir nun eine Idee gekommen, wie wir noch mehr sparen und trotzdem Weihnachtsstimmung am Tisch haben: Wir machen einen Hackbraten, den wir wie ein Rentier formen, das auf einer Platte liegt. Für die rote Nase nehmen wir eine Tomate und die Füllung aus Preiselbeeren und Pfifferlingen macht sich bestimmt auch sehr authentisch, wenn wir unser Rentier in der Mitte durchschneiden.“

Genau dieser, mein Mann, trug einen Erpelparka erster Güte, als im Film der Kuchen des Bräutigam die Form eines Gürteltieres mit blutroter Fruchtfüllung hatte. Er erklärte schaudernd, dass manche Menschen wohl vor nichts zurückschrecken würden und nun wollte er tatsächlich ...!

Aber Joe hat nun einmal die falsche Frau geheiratet, um sich sicher genug zu fühlen, mit diesem Schabernack durchzukommen.

Bis Weihnachten ist noch ein paar Tage und ich bin mir sicher, ich werde sehr kreativ kochen. Hot Dog muss ja nicht unbedingt aussehen wie ein Würstchen und Elefantenköttel sollen auch nicht so sehr etwas für Leute sein, bei denen das Auge mit isst. Aber ganz besonders freue ich mich auf den Tag, an dem es sehr authentisch aussehende Köttbullars geben wird.

Und bei dieser Mahlzeit werden wir dann das Thema Rudi noch einmal aufgreifen. Wetten, es gibt kein Rentier auf unseren Weihnachtstafeln?

[SyKo]

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