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Hörverlust bei Kindern - Interview mit Daniela Feit und Hans-Jürgen Bührer

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AutoreninfoNatalija Krenz
aktualisiert: 13.11.2012Online Redakteurin
Gesundheit und Erziehung
Hörverlust tritt nicht nur bei älteren Menschen auf. Auch Neugeborene, Kinder und Jugendliche sind von Hörminderung betroffen.

Allein in Deutschland gibt es 500.000 Kinder die an Hörvelust leiden. Besonders in ganz jungen Jahren kann schlechtes Hören zu verzögerten oder schlechten Sprachentwicklung führen. Bei frühzeitiger Behandlung und Therapie ist dennoch eine altergerechte Hör- und Sprachetnwicklung möglich.
Lesetipp: Mehr zum Thema Sprachentwicklung kannst Du übrigens in unserem Beitrag Sprachentwicklung bei Kindern nachlesen.

Im Experten - Interview mit Daniela-Simone Feit, Hörakustikmeisterin, Phonak-Expertin und Hans-Jürgen Bührer, Hörakustikmeister und Pädakustiker (Frey & Bührer Hörsysteme), erfährst du mehr über Hörverlust bei Kindern.
Mamiweb: Was bedeutet Hörverlust?
Daniela-Simone Feit: Menschen mit Hörverlust haben eine spätere Hörschwelle – das ist der leiseste noch hörbare Ton – als Normalhörende. Bei einem normalen Gehör liegt die Hörschwelle etwa bei 0 Dezibel (dB), bei einer Hörminderung, je nach Grad des Hörverlusts, darüber. Geräusche werden also erst ab einer gewissen Lautstärke wahrgenommen. Alltagssituationen wie Straßenüberqueren oder eine Unterhaltung in geräuschvoller Umgebung können schnell zur Belastung werden. Bei Kindern kann ein unentdeckter Hörverlust drastische Folgen für die Entwicklung haben.

Mamiweb: Ist Hörverlust gleich Taub sein?
Daniela-Simone Feit: Nein. Der Grad der Schwerhörigkeit kann von Fall zu Fall stark variieren. Wir teilen hier in leicht-, mittel- und hochgradigen Hörverlust ein, wobei der hochgradige Hörverlust in Richtung Taubheit geht. Daneben gibt es jede Art von Zwischenstufen.

Mamiweb: Welche Arten des Hörverlustes gibt es?
Daniela-Simone Feit: Bei der Schallleitungsschwerhörigkeit werden Töne nicht vollständig vom äußeren Ohr zum Innenohr geleitet, da das Mittelohr sie nicht richtig transportieren kann. Hier handelt es sich meist um einen leichten bis mittelgradigen Hörverlust, der je nach Ursache vorübergehend oder dauerhaft sein kann. Diese Art tritt häufig bei Kindern auf und kann oft mittels eines kleinen operativen Eingriffs behoben werden. Bei einer Schallempfindungsschwerhörigkeit sind die Haarsinneszellen in der Cochlea (Hörschnecke) defekt, fehlen teilweise oder komplett und können keine Impulse mehr an den Hörnerv weiterleiten. Diese Art von leicht- bis hochgradigem Hörverlust ist dauerhaft. Liegt eine Störung der Schallleitung in Kombination mit der Schallempfindung vor, spricht man von einem kombinierten Hörverlust. Ist der Hörnerv beschädigt oder fehlt dieser komplett, handelt es sich um einen neuralen Hörverlust. Dieser ist in der Regel hochgradig, dauerhaft und nur schwer „auszugleichen“. Der Schwerhörige hört, versteht aber nicht.

Mamiweb: Ist der Hörverlust bei Kindern vergleichbar mit dem von älteren Menschen?
Daniela-Simone Feit: Nein. Bei Kindern hat das Hören eine noch größere Bedeutung als bei Erwachsenen bzw. älteren Menschen. In den ersten acht Lebensjahren entwickeln Kinder ihre Sprach- und Sprechfähigkeit. Wird der Hörverlust eines Kindes nicht frühzeitig entdeckt bzw. versorgt, so hat es kaum eine Chance, richtig sprechen zu lernen. Tritt ein Hörverlust erst im Erwachsenenalter auf, so verfügt der Betroffene schon über eine „abgelegte Bibliothek“, also über einen abgeschlossenen Wortschatz und eine korrekte Aussprache, die sich aber verlieren kann, wenn nicht gut gehört, bzw. wahrgenommen werden kann.

Mamiweb: Kommen die meisten Kinder mit dieser "Beeinträchtigung" bereits auf die Welt oder entsteht dies mit dem Alter?
Hans-Jürgen Bührer: Eine eindeutige Aussage kann man hier nicht treffen. Bei ca. der Hälfte aller Kinder, die mit einem Hörverlust zur Welt kommen, ist die Störung genetisch bedingt. Das bedeutet aber nicht gezwungenermaßen, dass die Eltern auch unter einem Hörverlust leiden – sie sind oft nur Träger rezessiver Gene. Eine Schwerhörigkeit kann aber auch frühkindlich entstehen.

Mamiweb: Was sind die häufigsten Ursachen beim Hörverlust?
Hans-Jürgen Bührer: Die Ursachen von Hörverlust bei Kindern sind sehr unterschiedlich. Neben einer Veranlagung können auch Infekte der Mutter während der Schwangerschaft oder schädliche Substanzen wie z.B. Nikotin und Alkohol die während der Schwangerschaft eingenommen werden, einen Hörverlust bei Kindern auslösen. Ferner können unbehandelte Ohrentzündungen, Kinderkrankheiten oder Kopfverletzungen zu einer Beeinträchtigung des Gehörs führen. Aber auch ein akutes Schalltrauma kann hierfür verantwortlich sein.

Mamiweb: Sind die Ursachen eher körperlich bedingt, verursacht durch die Umwelt oder durch Krankheiten?
Daniela-Simone Feit: Sowohl als auch. Es ist einfach wichtig, dass Eltern die Entwicklung ihres Kindes genau im Auge behalten. Bei auffälligem Verhalten sollte der Kinderarzt oder Pädakustiker aufgesucht werden.

Mamiweb: Tragen auch die täglichen Dinge wie Musik hören, Fernsehen, laute Straßen und andere laute Geräusche zum Hörverlust bei?
Daniela-Simone Feit: Ja, Lärm kann das Gehör schädigen. Das hängt allerdings von der Dauer und Intensität der Beschallung ab. Bei einem Geräuschpegel von 100 dB riskiert man bereits bei 20 Minuten am Tag eine spätere Hörminderung – das entspricht in etwa dem Pegel eines maximal aufgedrehten MP3-Players. Viele Teenager hören ihren Lieblingssong gerne laut. Eltern sollten ihre Kinder daher über die Risiken aufklären, insbesondere da Hörverlust häufig irreversibel ist. Sind die sensiblen Haarsinneszellen einmal geschädigt, können sie keine Impulse mehr an den Hörnerv senden. In der Regel braucht die Person dann ein Hörgerät. Die 60/60 Regel ist beim Musikhören über Kopfhörer ein ganz gutes Maß: Täglich nicht länger als 60 Minuten Musik über Kopfhörer hören und dabei nicht über 60 Prozent des Maximalvolumens des Geräts aufdrehen. Ab und zu bewusst den Ohren akustische Ruhepausen gönnen. Auch laute Spielsachen, die Babys und Kleinkinder sich gerne mal dicht ans Ohr halten, können das Gehör irreparabel schädigen. Das eigene Lärmempfinden ist ein guter Gradmesser, d.h. Eltern sollten vor dem Kauf das Spielzeug am eigenen Ohr testen. Ist es unangenehm laut, sollte das Spielzeug auf keinen Fall gekauft werden.



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