⎯ Wir lieben Familie ⎯

Warum es "perfekt" nicht geben kann

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Wer von uns ist perfekt?
Wer von uns ist perfekt?

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AutoreninfoMag. Carina Runge-Mathis
aktualisiert: 12.03.2016Gründerin von Mamiweb, Mehrfache Mutter
Gesundheit, Familie, Soziales

Ein Erfahungsbericht und Gastbeitrag von Rehliebe

Wir Menschen streben ständig danach perfekt zu sein.

Besonders wir Mütter neigen dazu uns ständig gegenseitig unter die Nase zu reiben wie toll sich doch xy entwickelt hat und wie wunderbar man ihn doch gestillt, getragen, vegan ernährt etc. hat. Oder wie toll und UNERSÄTZLICH doch der PEKiP-Kurs war. Ständig verunsichern wir uns gegenseitig.

Aber tun wir das absichtlich?

Manchmal ist man einfach nur stolz und prahlt ein bisschen. Wir alle sind natürlich überzeugt von unseren Erziehungsmethoden und wollen permanent zeigen wie RICHTIG wir etwas doch machen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir Mütter uns selbst in dem was wir tun bestätigen wollen. Und wieso wollen wir das? Eben weil man leider von der Gesellschaft ständig zu hören bekommt was richtig und was falsch ist und sich ständig alles ändert. Jeden Monat gibt es neue Studien oder Test-Ergebnisse und wer nicht sofort up-to-date ist, ist eine schlechte Mutter. Aber im Endeffekt macht man ohnehin in irgendjemandes Augen irgendetwas falsch.

Fakt ist doch aber: Wir alle wollen das Beste für unsere Kinder. Wir wollen, dass sie sich geborgen und geliebt fühlen. Wir wollen, dass sie wissen, dass wir immer für sie da sind und sie niemals im Stich lassen. Wir wollen Respekt, aber nicht, dass sie Angst vor uns haben.

Umso trauriger finde ich, dass man sich dennoch ständig voreinander rechtfertigen muss.

Wie war das bei mir?

Ich selbst hatte es von Anfang an nicht so leicht. Als meine (geplante) Tochter zur Welt kam war ich grade noch 4 Tage lang 20. Und schon im Krankenhaus wurde mir von dem diensthabenden Frauenarzt davon abgeraten ambulant zu entbinden. Mir war sofort klar, dass es nicht aus medizinischen Gründen war, sondern weil er mich schlichtweg für unfähig hielt. Trotzdem habe ich mich durchgesetzt und mich entlassen. Jeder, der mich kannte (auch meine Hebamme und Frauenärztin) wussten, dass das kein Problem sein würde. Aber ausgerechnet die Menschen, die einen nicht kennen, erlauben sich ein Urteil.

Damit fing alles an.

Als ich dann nach Hause kam und tatsächlich 3 Wochen familiären Besuch aus dem Ausland und dann auch noch beinahe täglichen Besuch von anderen Verwandten hatte, merkte ich langsam, dass ich unglücklich wurde. Jeder noch so kleine Hinweis: "Dein Kind hat Hunger", "Die Windel ist voll" oder "Zieh das Kind doch wärmer an" haben mich so dermaßen verunsichert, dass ich die erste Zeit überhaupt gar nicht genießen konnte. Ich fühlte mich bevormundet. Ständig hatte ich das Gefühl, dass man mir das nicht zutraute. Alles wurde in Frage gestellt. "Wieso schneidest du dem Kind nicht die Fingernägel"? "Wieso darf das Kind keinen Saft / kein Waschgel in der Wanne etc etc etc". Eigentlich hatte ich das Gefühl, dass ich mich gut vorbereitet hatte. Unglaublich viele Artikel über Babys gelesen, mich mit meiner Hebamme über alles Wichtige beraten und auch die Ratschläge und Tipps der Kinderärztin immer umgesetzt. Ich wollte so sehr alles richtig machen. Es jedem Recht machen. Was deswegen passierte werde ich aber wohl nie vergessen können. Ich , eine Frau, die unbedingt Stillen wollte, hat es nicht geschafft ihr Kind zu stillen. Sei es nun durch den permanenten Besuch oder durch den Druck, den ich mir selbst machte, gewesen. 3 Monate lang machte ich eine Tortur mit, die aus "Anlegen, Zufüttern, Abpumpen" bestand. Ich hatte kaum noch eine Sekunde für mich und zuletzt bekam ich stressbedingt einen ganz extremen Hautauschlag und stillte ab. Ich war unzufrieden mit mir selbst. Ich hatte das Gefühl, dass jeder Mensch in der Öffentlichkeit mich anstarrte weil ich mein kleines Baby nicht stillte.

Kommt euch das bekannt vor?

Genau SO haben stillende Mütter oft das Gefühl angestarrt zu werden wenn sie in der Öffentlichkeit stillen. Verrückt oder?

Warum interessiert es uns was andere über uns denken?

Ich meine was interessiert es uns eigentlich was diese fremden Menschen über uns denken? Wieso kann es uns nicht egal sein?

Sie kenne uns doch gar nicht, wissen nicht was in uns vorgeht, was wir durchgemacht haben.

Auch heute muss ich oft noch doofe Fragen beantworten.Ich muss zum x-ten mal erklären warum wir kein "Töpfchentraining" machen oder warum meine Tochter nur sehr selten und sehr wenig Schokolade essen darf.Ich werde als "Übermutti" oder "übermäßig streng" betitelt. Ich "gönne" meinem Kind nichts. Ich "kann nicht loslassen" und lasse mein Kind deswegen nicht alleine bei anderen oder lasse sie nachts bei uns im Bett schlafen.

Ich habe mit der Zeit gelernt

Der Unterschied zwischen jetzt und vor zwei Jahren ist aber ein ganz Entscheidender. Heute trifft es mich nicht mehr so sehr. Ich habe akzeptiert, dass besonders ältere Generationen nicht über alles Aktuelle bescheid wissen und, dass sie sich durch meinen Erziehungsstil manchmal beleidigt fühlen (denn sie haben es ja ganz anders gemacht).

Da hilft nur eins: Gegenseitiges Verständnis. Sprecht miteinander. Erklärt den Menschen warum ihr etwas macht und akzeptiert aber auch wenn es jemand anders macht als ihr selbst. Jede Mutter ist anders. Jedes Kind ist anders. Was bei dir funktioniert hat muss bei anderen Kindern noch lange nicht funktionieren.

Unser Handeln hat einen Grund

Eins ist sicher. Wenn wir handeln wie wir handeln, dann tun wir das nicht weil wir andere beileidigen wollen oder weil wir anderen zeigen wollen wie es richtig geht, sondern weil wir denken, dass es SO am besten für UNS und UNSERE Kinder ist.

Wenn ich also z.B. einen Türhopser oder eine Tragehilfe (ihr wisst schon welche) geschenkt bekomme und dann direkt wieder verkaufe, weil man heutzutage eben weiß, dass es schädlich fürs Kind sein kann, dann bedeutet es nicht, dass ich meine Eltern verurteile weil ich damals einen Türhopser benutzt habe.

Aber, nicht nur wir sind "paranoid"

Ihr seht – nicht nur wir Neu-Mamis sind paranoid, sondern auch die ältere Generation hat so ihre Probleme.

SO oder so, ich möchte, dass dieser Kampf zwischen uns Müttern aufhört. Lasst uns einander so behandeln wie wir selbst behandelt werden wollen. Nehmt Rücksicht auf einander und geht respektvoll miteinander um. Das ist kein Wettbewerb. Es sind Kinder. UNSERE Kinder.

Und die brauchen in ersten Linie nur eins: ganz viel Liebe

Aber vor Allem können wir nicht in einander reinschauen. Wir müssen aufhören Vorurteile zu haben. Nicht jede junge Mutter raucht und geht jedes Wochenende auf Partys. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nicht jeden gut gemeinten Ratschlag abwehren und als "Bevormundung" abstempeln. Manchmal wollen die Menschen eben wirklich nur "helfen".

Es gibt viele Arten von Menschen. Ich will nicht behaupten, dass wirklich ALLE einfach nur helfen wollen. Nein, es gibt tatsächlich auch welche, die einfach Spaß daran haben andere von ihrer Meinung überzeugen zu wollen.

Ihr kennt doch alle das Wort "Emanzipation"?

Was bedeutet das eigentlich?

Es bedeutet, dass man unabhängig ist und Männer und Frauen gesellschaftlich gesehen GLEICH sind.

Heutzutage MÜSSEN wir Frauen also beweisen, dass wir alles genauso gut können wie die Männer. Das gehört doch zum perfekt sein dazu oder etwa nicht?

Am besten sollen wir mehr verdienen und auf keinen Fall sollen wir ein paar Jahre zu Hause bei den Kindern bleiben (am besten noch ohne Titel oder Berufsschulabschluss), denn dann wären wir ja wieder abhängig und das passt eben gar nicht zu dieser ganzen "Emanzipation".

Ich verrate euch jetzt mal was FÜR MICH Emanzipation bedeutet.

Ja, es bedeutet Gleichheit. Es bedeutet, dass man sein kann wie man will ohne Vorurteile. Es bedeutet, dass du entscheiden kannst wie du dein Leben leben möchtest ohne, dass es von anderen als "falsch" angesehen wird.

Ist man nicht emanzipiert weil man nicht arbeiten geht, sondern die ersten drei Jahre mit den Kindern zu Hause bleibt?

Ist man nicht emanzipiert weil man "auf Kosten des Mannes" lebt?

Ich finde: NEIN.

Wer in einer Ehe lebt, der lebt im besten Falle mit seinem Seelenverwandten in einer Gemeinschaft. Man ist ein TEAM. Man meistert zusammen einfach alles und unterstützt sich in jeglicher Hinsicht. Dabei übernimmt jeder seine Aufgaben. Der Mann und die Frau leisten beide etwas. Ob die Frau sich nun den Kindern widmet, den Haushalt schmeißt oder arbeiten geht ist dabei doch völlig irrelevant.

Ich selbst erwarte grade mein zweites Kind und bin mit meiner Tochter noch zu Hause. Sie wird in ein paar Tagen 2 Jahre alt und soll im August in den Kindergarten. Der Platz ist uns aber noch nicht sicher, da ich ja "ohnehin zu Hause bin". Ich fühle mich nun aber nicht abhängig von meinem Mann. Im Gegenteil. Ich habe für mich, für UNS, die Entscheidung getroffen, dass ich für meine Kinder da sein möchte, dass ich sie nicht abgeben möchte und dafür, dass ich alles weitere angehe sobald sie beide ihren festen Kindergartenplatz haben.

Das war meine ganz freie und eigene Entscheidung.

DAS nenne ich emanzipiert.

Denn obwohl mir von einigen Menschen davon abgeraten wurde habe ich trotzdem das gemacht was mein Gefühl mir sagte. Und damit bin ich unglaublich glücklich. Jede andere Entscheidung hätte ich im Nachhinein bereut.

Und sein wir mal ehrlich ... Ist es "emanzipiert" wenn man sein Leben so lebt wie andere es von einem erwarten oder sich wünschen? Eben nicht.

Was ich mir wünsche

Ich wünsche mir für alle Mütter aber auch für alle Väter, dass sie ihren und den Wünschen ihrer Kinder gerecht werden und sich nicht von anderen Menschen zu stark beeinflussen lassen. Egal was das heißt.

Und ich wünsche mir, dass wir alle die Entscheidung anderer einfach akzeptieren, nicht immer alles anzweifeln. Und genauso wünsche ich mir, dass wir alle (auch ich selbst) ein bisschen weniger paranoid werden. Nicht alles was Menschen zu einem sagen soll verletzend sein. REDEN hilft. Und wenn nicht, dann muss man eben seine Konsequenzen ziehen.

Lasst euch nicht runterziehen – wir alle sind nur Menschen und keiner von uns perfekt.

Perfekt gibt es nicht!

"Perfekt" gibt es nicht. "Perfekt" definiert jeder anders. Euer "perfekt" ist nicht mein "perfekt" und auch nicht andersrum.

Strebt nicht nach etwas was es nicht gibt. Man kann nicht jedem auf der Welt gerecht werden. Kümmert euch um eure Kinder und nicht um die Meinung anderer.

Die Hauptsache dabei ist doch, dass die Kinder immer an erster Stelle stehen und geliebt werden.

Ich wünsche allen Mamas, Papas und Kindern auf dieser Welt nur das Beste.

Mehr von Rehlieber könnt ihr auch in ihrem Blog rehliebe.blogspot.de nachlesen. Ihr findet Rehliebe auch auf Instragram: instagram.com/rehliebe/.

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