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Online-Communities – soziale Vernetzung oder Sucht?

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Gerd Altmann / Pixelio.de
Internet - Vernetzung oder Sucht?
Bild: Gerd Altmann / Pixelio.de
AutoreninfoMag. Birgit Schulz
aktualisiert: 28.12.2010Online Redakteurin
Gesundheit und Homöopathie
Das Internet hat wie kaum ein anderes Medium das Leben verändert. Chats, Internet-Foren und soziale Netzwerke bieten heute vielen Menschen und besonders Jugendlichen vielfältige Möglichkeiten der Kommunikation, die weit über Telefon und persönliche Treffen hinausreichen. Über soziale Netzwerke wie Facebook oder SchülerVZ haben Jugendlichen die Chance, sich virtuell mit ihren Freunden zu vernetzen, fremde Menschen kennenzulernen und mit Hilfe ihrer Online-Profile, eine optimierte Selbstdarstellung zu betreiben. Die Schattenseite dieser Online-Communities ist ihr hoher Suchtfaktor, wie neueste Studien über das Konsumverhalten regelmäßiger Netzwerk-User ans Tageslicht brachten.
Eine Untersuchung, die kürzlich von der Schweizer Werbeagentur „Rod Kommunikation“ mit 50 Teilnehmern in der Schweiz durchgeführt wurde, zeigte dabei, dass eingefleischte Facebook-Nutzer zum Teil heftige Entzugserscheinungen aufwiesen, als sie im Rahmen der Studie einen Monat lang freiwillig auf die Benutzung des sozialen Netzwerks verzichteten. So hatten viele der User vor allem zu Anfang mit heftigen Verlustängsten zu kämpfen, fühlten sich sozial isoliert und von der Außenwelt abgeschnitten. Erst nach einigen Wochen erkannten viele die Vorteile des Zeitgewinns und stellten fest, dass ihr Selbstbild plötzlich wieder mehr zählte als das Fremdbild. 

Auch eine Studie der US-amerikanischen University of Maryland, bei der 200 Studenten für einen Tag lang auf sämtliche digitalen Medien inklusive Handy verzichteten, belegte zum Teil ein deutliches Suchtverhalten. Dieses äußerte sich in Symptomen wie Unruhe, extremer Nervosität, Spannung und Verrücktheit, welche auch bei Alkohol- oder Drogensüchtigen auftreten können. Dahinter standen offenbar massive Ängste, soziale Kommunikation ohne entsprechende Netzwerke nicht mehr adäquat bewältigen zu können und sozial ausgegrenzt zu werden. Dabei leiden in Wirklichkeit gerade reale Kontakte oftmals massiv unter den Online-Aktivitäten mit virtuellen Bekanntschaften.

Die Abhängigkeit von so genannten Kommunikations- und Sozialisationsdiensten ist nur eine Form der Online-Sucht. Während männliche Jugendliche jedoch im Bereich der Online-Rollenspiele in puncto Abhängigkeit eindeutig dominieren, scheint die Sucht nach sozialen Netzwerken für Mädchen und junge Frauen tendenziell eine größere Gefahr darzustellen. So appellierte die Girls' School Association (GSA) in Großbritannien bereits an Schulen und Eltern, gegen das Suchtverhalten der Mädchen anzukämpfen.

Dabei gilt: Trotz einer ganzen Reihe extremer Fälle, die in den Medien für Aufmerksamkeit sorgten, muss jedoch nicht jede ausgiebige Beschäftigung mit Online-Communities und anderen Internet-Angeboten gleich auf eine Sucht deuten. Untersuchungen zeigen vielmehr, dass es sich bei Jugendlichen häufiger nur um vorübergehende Phasen handelt, während pathologische Internetnutzung bei Erwachsenen mit sozialen und psychischen Problemen ein wesentlich schwerwiegenderes Problem darstellt.

Eltern sollten daher bei Verdacht auf Zwanghaftigkeit des Surfverhaltens zwar auf keinen Fall wegsehen, jedoch zunächst genau abwägen, ob man bei ihrem Kind tatsächlich von einer Sucht sprechen kann.

Symptome einer Internet-Sucht können vorliegen, wenn ein/e Jugendliche/r:

  • dabei deutlich die Kontrolle über seine Zeit verliert.
  • sich täglich über immer längere Zeiträume mit sozialen Netzwerken beschäftigt.
  • reale Sozialkontakte zugunsten virtueller Bekanntschaften vernachlässigt.
  • sich gedanklich unentwegt mit der Selbstdarstellung im Internet beschäftigt.
  • in Zusammenhang mit der exzessiven Internet-Nutzung Probleme in der Schule aufweist.
  • die Nutzung des Internets trotz negativer Folgen für Familie und Freunde nicht einschränkt.
  • Schlafbedürfnis, Körperhygiene und die geregelte Einnahme von Mahlzeiten zugunsten der Zeiten am Computer offensichtlich vernachlässigt.
  • bei Internet-Entzug mit deutlicher Nervosität und/oder aggressiven Ausbrüchen reagiert.
Treffen mehrere dieser Symptome über einen längeren Zeitraum zu, sollten Eltern zunächst selbst versuchen, mit dem Jugendlichen zu reden. Ihm die negativen Folgen seines Verhaltens für sein Leben klarmachen und ihn davon zu überzeugen, Schritte gegen das übermäßige Surfen zu unternehmen. 

Übertriebene Vorwürfe können jedoch Trotzreaktionen und einen noch stärkeren Rückzug zur Folge haben. Viel wichtiger ist es, dem Jugendlichen langfristig zu signalisieren, dass man ihm zu seinem eigenen Nutzen helfen möchte und ihn bei einem Ausstieg aus der virtuellen Welt unterstützt. 

Da ungelöste familiäre Konflikte Auslöser einer Computerspielsucht sein können, empfiehlt es sich auch für Eltern, kritisch zu hinterfragen, welches Verhalten ihrerseits die Spielsucht des Kindes eventuell zusätzlich gefördert haben könnte. Hat man das Kind zur Kooperation bewegt, ist es oft ratsam, psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Inzwischen gibt es auch erste Psychologen, die sich mit Computerspielsucht auseinandersetzen.

Grundsätzlich gibt es keinen Königsweg, um Kinder vor einer möglichen Internet-Sucht zu bewahren. Jugendliche mit einem stabilen Selbstwertgefühl, die im realen Leben Anerkennung bekommen, weisen jedoch ein deutlich geringeres Risiko für eine virtuelle Realitätsflucht auf. Wenn Eltern ihren Kindern vermitteln können, dass sie geliebt werden und trotz Niederlagen in Schule oder persönlichen Beziehungen wertvolle Menschen sind, kann dies ein bereits ein wichtiger Schritt zur Vorbeugung eines Suchtverhaltens sein. 

Geht man mit gutem Vorbild voran und sorgt für eine Klärung innerfamiliärer Konflikte, kann dies Kindern dabei helfen, sich in schwierigen Alltagssituationen besser behaupten zu können. Regelmäßiges Lob der Eltern, ein erfüllendes Hobby und eine realistische, erstrebenswerte Lebensperspektive sorgen dafür, die reale Welt zu einem Ort zu machen, vor dem Jugendliche nicht fliehen möchten.

[BS]

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