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Mami sein, in Zeiten des Internet

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Mütter im Internet
Mütter im Internet

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AutoreninfoMag. Carina Runge-Mathis
aktualisiert: 13.06.2017Gründerin von Mamiweb, Mehrfache Mutter
Gesundheit, Familie, Soziales

Ein Erfahrungsbericht von sandybeach85

Ich denke jeder stimmt mir zu, wenn ich sage, dass sich die Mutterrolle im Laufe der Zeit und gerade innerhalb der letzten 50 Jahre doch stark verändert hat. Mutter zu sein heißt heute weit aus mehr, als eben "nur Mama" zu sein. Frau sollte am besten arbeiten gehen, halbtags vielleicht, um dann schon noch genug "qualitytime" mit dem Nachwuchs zu haben. Fremdbetreuung unter 3 Jahren ist aber wiederum auch nicht gern gesehen. Da schiebt man sein Kind ja ab. Wozu ist man dann Mutter geworden?

Doch so ein Heimchen am Herd wird gleichermaßen kritisch beäugt. Hat wohl keine anderen Hobbys außer ihre Kinder.

  • Macht sie sich dann wenigstens adrett zurecht?
  • Ist ihr Haushalt immer blitzblank?
  • Wie sieht es in der Ehe aus?
  • Kümmert sich die Frau auch ordentlich um den Mann?
  • Ist sie nach Feierabend dann beste Freundin und Geliebte für ihn?
  • Aber wieso verwirklicht sie sich nicht auch selbst?
  • Und strebt nach der Erfüllung ihrer Träume?
  • Hat sie die schon aufgegeben?
Mütter heutzutage sollen einen Katalog an Kriterien erfüllen, die sich allerdings alle gegenseitig widersprechen.

Wie hat da das Internet da seinen Teil dazu beigetragen?

Definitiv haben wir heute einfach viel mehr Einblick in die unterschiedlichsten Familien. Familien, die wir sonst unter normalen Umständen niemals besucht oder getroffen hätten, zeigen uns ihre Welt, teilen ihre Erfahrungen. Heute begleiten wir die modisch durchgestylte Mutti aus der Großstadt beim Latte trinken, obwohl sie 500km entfernt ist.

Auch beim trendigen Kinderwagen durch den hippen Kiez schubsen, beim das schwarz-weiß eingerichtete Kinderzimmer im sexy-housewife-look putzen oder beim healthy Gemüsesüppchen kochen sind wir dabei. Wir sehen und lesen Dinge, die Emotionen in uns auslösen sollen. Oftmals ist es ein "Das will ich auch", ein "Oh das kenn ich", aber immer wieder auch ein weniger gesundes:

  • Warum ist es bei ihr so viel schöner, aufgeräumter, stylisher und das mit 3 Kindern?
  • Wieso kann ich mich mit nur einem Kind nicht annähernd so hübsch zurecht machen, so durchtrainiert sein wie sie?
  • Wieso kann ich meine ursprünglichen Vorsätze kaum einhalten, wie jeden Tag frisch und ausgewogen zu kochen, den Putzplan zu befolgen und meine Kinder immer ordentlich frisiert und angezogen auf die Straße zu schicken?
So wie diese Mama das anhand ihrer Bilder scheinbar jeden Tag in Bestform schafft. Und schon entsteht wieder ein neuer Druck. So furchtbar unnötig bei all den eh schon vorhanden Ansprüchen, die an einen in dieser Rolle gestellt werden. Dabei vergessen wir oft, dass auch diese vermeintlichen "Vorzeigemamis" , die schon fast zu perfekt scheinen um wahr zu sein, uns nur einen kurzen Einblick gewähren und sie nicht mehr oder besser sind, als die Mama vom Dorf, die ihren 2te-Hand Kinderwagen mit Gummistiefeln und dem Entenbrot in der Hand durch den Matsch schiebt, die fettigen Haare unter der Mütze versteckt, weil sie einfach mal raus musste und die Laune des Sprösslings an diesem Nachmittag anders nicht zu ertragen war. Wir können über Internetplattformen so viel lernen und erfahren und sollten uns nicht blenden lassen von dem, was uns da gezeigt wird.

Die Mamiforen

Ein weniger an Bildern orientierter und demnach auch weniger Neider und Protze hervorrufender Bereich für Mamas im Internet sind die Mamiforen. Wo man früher auf das Wissen der eigenen Mutter, der Oma, Freundin oder Nachbarin zurückgegriffen hat, befragt man heute Google oder vielleicht eben auch direkt eines der vielen Mamiforen, oder andere Plattformen auf denen sich viele Mütter tummeln. Hier kann man schneller eine Frage loswerden und die buntesten Antworten ernten, als man bei der eigenen Mutter anrufen oder bei der Nachbarin klingeln kann. Es spielt keine Rolle welche Uhrzeit es ist oder welcher Wochentag. Wenn dem Kind nachts um drei ein seltsamer Pickel am Allerwertesten sprießt und man sich fragt "Ist das jetzt schlimm oder kann das bleiben?" sind immer ein paar müde Muttis im Netz für einen da, die genau diesen einen Pickel an genau dieser Stelle auch schon einmal bei ihrem Kind entdeckt hatten und der oder die Kleine daraufhin trotzdem noch eine völlig normale Entwicklung genommen hat- ohne ärztliche Hilfe, oder dem langwierigen Aufenthalt in einer Notaufnahme mitten in der Nacht.

Diese Orte im Internet können wirklich ein wahrer Segen sein für Neumamis, alteingesessene Mamis und die, die es noch werden wollen.

Ich erinnere mich gut an die Zeit, in der ich mit meiner ersten Tochter Lily schwanger war. Ich hatte schon einiges an medizinischem Vorwissen aufgrund meiner Ausbildung, aber dennoch war das alles so neu für mich. Da auf einmal selbst so mittendrin zu stehen, quasi auf dem Sprungbrett in die Muddiwelt.

Wie ich ankam, in der Mami-Welt


In meiner Familie bin ich die erste meiner Generation, die für Nachwuchs sorgte. Das einzige Wissen auf das ich also zurückgreifen konnte, war in meinen Augen altmodisch und verstaubt. Und es stimmt ja, einiges hat sich nachweislich geändert, Ansichten wie auch wissenschaftliche Forschungen. Und natürlich will man an seinem Kind nicht irgendein veraltetes Wissen testen. So zumindest meine Meinung damals. Außerdem war das Wissen, auf das ich in der Richtung zurückgreifen konnte auch nur noch spärlich vorhanden, da nun doch schon einige Jahre vergangen waren seit es zum Einsatz gekommen war. Ich denke heutzutage geht es vielen werdenden und frischgebackenen Mamas so. Frauen werden heute immer später zum ersten mal Mutter. Immer öfter fehlt da ein familiärer Background zur Unterstützung mit Rat und Tat.

So sah ich mich also auf diesem 3-Meterbrett stehen und unter mir die wogende Menge Muddis, mit ihren schicken abwaschbaren Wickeltaschen, mit den Schnulleretuis, den quadratischen Musselin-Spucktüchern, den Wickelbodies und Flaschenwärmern. Ich gebe zu ich hatte auch Schiss. Was wenn ich springe und da unten dann keinen Halt finde? Was wenn der die Schnullerkette aus biologisch einwandfreiem Olivenholz reißt sobald ich mich an ihr in den tosenden Meer festklammere? Es war ja doch ein unendliches und vor allem von dort oben unüberschaubares Meer, das da auf mich wartete.

Ich begann also zunächst ganz zaghaft aktiv zu werden in diesen Foren. Ich recherchierte, meist als stille Mitleserin, nach Themen und Threads, die mich interessierten. Irgendwann schaltete ich mich dann auch ein in Diskussionen und wenn ich dachte, ich hätte doch etwas von meinem marginalen Wissen beizutragen. Es machte Spaß. Man lernte die ein oder andere Mama etwas besser kennen, sie einschätzen, begegnete sich im virtuellen Raum immer öfter. Es konnte wirklich ein schönes Miteinander entstehen. Eines von dem jeder für sich profitieren konnte.

Aber leider hat diese Anonymität, wie jeder weiß, auch seine Nachteile. Dieser Schutz nicht alles von sich preisgeben zu müssen, jemand anderes verkörpern zu können und sich endlich ein künstliches Selbstbewusstsein aufzubauen, das man im echten Leben niemals hätte.

Die Kinder verbinden uns

Ich muss hier mal einen Vergleich ziehen: Im Internet kommen viele unterschiedliche Mamas zusammen. Mamas mit 1, 2, 3, 4 oder mehr Kindern. Mit Jungs, mit Mädchen. Verheiratet, alleinerziehend oder wieder neu verpartnert. Jung oder alt. Chaotisch, ausgeflippt, spießig, bunt, grau, bodenständig… Die unterschiedlichsten Ansätze, Erziehungsstile, Erfahrungen und Lebenseinstellungen prallen aufeinander. Außer dem einen Fakt, nämlich das Muttersein, hat man vorerst mal nichts gemeinsam. So ist es zum Beispiel beim Kinderturnen auch. Hier treffen sich Mamas (und natürlich auch Kinder) um in erster Linie mal den Kindern durch Bewegung etwas Gutes zu tun und sie zu beschäftigen. Aber auch hier finden die unterschiedlichsten Menschen zusammen, die im Grunde wirklich erstmal nichts miteinander gemein haben, außer eben ein bis zehn Kindern mit Bewegungsdrang. Und genau das sollte uns doch genügen. Jede Mutter versucht doch im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Beste zu sein für ihr Kind. Je nach Tagesform schafft sie es vielleicht die eigenen Ansprüche an sich zu erfüllen, oder manchmal eben auch nicht. Wie kommt es, dass wir in einem virtuellen Raum sofort mit der Moralkeule schwingen, wenn wir mal etwas lesen, was nicht ganz so konform mit unseren Vorstellungen geht? Wieso wird dann gleich gehetzt und hergezogen, verurteilt? Lasst uns doch einfach eine nette Zeit zusammen haben und anschließend jeder seinen Weg gehen, um dann je nach Lust und Laune zurückzukehren. Ganz wie bei einem Kinderturnnachmittag. Ohne Getuschel, ohne Finger auf jemanden zu zeigen. Klar gibt es auch in der realen Welt und bei solchen Veranstaltungen Mamas, die einem sympathischer sind und welche bei denen man vielleicht froh ist, dass man sonst nichts weiter mit ihnen zu tun hat. Auch hier gibt es mal Getratsche, aber wird gleich im großen Stil gehetzt?

Ich denke nein.

Die Welt ist eben bunt

Bei unserem Kinderturnen werden in der Umkleidekabine nach der körperlichen Ertüchtigung immer erst mal die Vesperdosen gezückt und deutlicher könnten die Unterschiede wohl nicht auf den sprichwörtlichen Tisch gepackt werden. Da hat der Jonas seine Brezel dabei-geviertelt und dick mit Butter bestrichen, die Merle-Sophie bekommt die Mandarine frisch geschält von Muddi, der Pätrick-Niklas hat die Vollkornwurststulle dabei mit der Bärchenwurst, die Birte bekommt eine Handvoll Paranüsse und einen Sojadrink und die Särah-Änn einen Fruchtzwerg mit Schokomilch. So ist das. Bunt. Jeder anders. Bei jedem steckt eine gewisse Überlegung dahinter. Oder manchmal vielleicht auch nicht, weil man einfach mal faul war als Mutti oder der Einkaufswagen beim letzten Einkauf vertauscht wurde. Man weiß es nicht. Und genau aus dem Grund gehe ich bei besagten Terminen nicht Stirn runzelnd und Zeigefinger hebend durch die Runde, mustere jede Vesperdose und achte dabei auf das Kinder-Gütesiegel so wie den Nährwert des Inhalts. Ich rüge, die Eltern nicht wenn ich denke, dass manch ein Nahrungsmittel vielleicht nicht unbedingt als Snack oder gar nicht erst für Kinder geeignet wäre. Warum auch? Steht mir ja nicht zu.

Wieso aber wäre eine solche Thematik Anlass zu ungemein viel Streitpotential im virtuellen Raum? Wieso macht uns diese Anonymität so unheimlich überlegen und gibt uns scheinbar das Recht mir gänzlich unbekannte Frauen, die zufällig die selbe Rolle ausfüllen wie ich, an den Pranger zu stellen und sie öffentlichen zur "Rabenmutter des Monats" zu küren?

Lasst uns also ein bisschen mehr von dieser vermeintlich wohligen Anonymität vergessen. Lasst uns einfach als Muttis voneinander profitieren. Wenn schon die Welt an uns unmögliche Ansprüche stellt, so lasst uns doch in dem Maße zusammenrücken, dass wir bei der schönsten aber manchmal auch verdammt schweren und Kräfte zehrenden Aufgabe zusammenhalten. Ich finde diese Plattformen so spannend, so toll. Sie können uns wahnsinnig stark machen und uns ein gutes Zusammengehörigkeitsgefühl geben.

Mein Fazit

Ich will Inspiration wo Neid ist, ich will ein aufbauendes Wort anstatt des rügenden Zeigefingers und ich will dass wir endlich aufhören nur schwarz und weiß zu sehen- nicht nur in den Kinderzimmern auch in den Köpfen!

Für mehr bunt!

Eure sandybeach

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